Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in diesen Tagen wieder einmal mit der Bewertung von Arbeitszeugnissen zu beschäftigen (Pressemitteilung BAG, Urteil v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13).
Dabei ging es um die Frage, ob die Arbeitgeberin durch Wahl der Formulierung mit „zur vollen Zufriedenheit” eine Bewertung der Leistung mit durchschnittlich (Schulnote 3) vornehmen durfte oder ob die Arbeitnehmerin einfach durch die Ergänzung des “stets” ein “gut” verlangen kann.
Begründet wurde die Klage der Arbeitnehmerin u.a. mit den Ergebnissen einer Studie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) aus dem Mai 2011, die eine inflatorischen Anstieg der guten Noten um rund ein Drittel aufzeigt. So verteilten sich in den 802 ausgewerteten Zeugnissen der letzten fünf Jahre 39 % auf die Noten „1” und “1,5”, 49 % auf „2”und “2,5” 12 % auf die Note „3” und 2 % auf die Noten „4” und schlechter. Eine Untersuchung aus 1994 ergab 10 % für die Note “1” und 47 % für die Note “2” (FAU, Lehrstuhl für Psychologie, veröffentlicht in der Personalwirtschaft 07/2011).
Wobei man auch feststellen könnte, dass die Arbeitnehmer heute eben auch besser als die unternehmerische Vorgabe arbeiten und daher die “guten” Noten bestätigt bekommen. Die hohe Produktivität ist zumindest dafür ein Indiz.
Streitpunkt der Klage war das Spannungsfeld zwischen einem wohlwollendem Zeugnis und der Wahrheitspflicht. Der § 109 Absatz 2 der Gewerbeordnung (GewO) gibt für Arbeitszeugnisse vor: “Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.”
Schon in früheren Jahren stelle das BAG dazu in zwei Urteilen fest: “das Zeugnis kann nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein (BAG, Urteil v. 9.9.1992, 5 AZR 09/91)” und allerdings weiter, dass der Grundsatz der Zeugniswahrheit durch das Verbot ergänzt wird , das Fortkommen des Arbeitnehmers ungerechtfertigt zu erschweren (BAG, Urteil v. 10.5.2005, 9 AZR 2604).
Damit ergibt sich, dass das bestehende Spannungsverhältnis, zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des Wohlwollens, zugunsten des Wahrheitsgrundsatzes aufzulösen ist. Ein Arbeitnehmer, der eine durchschnittliche Arbeitsleistung erbringt – und das ist ja auch nur das, was ein Arbeitgeber nach Arbeitsvertrag verlangen kann – kann eben auch nur ein mit “durchschnittlich” bewertetes Arbeitszeugnis verlangen. Denn “ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein” so das BAG in seiner aktuellen Pressemitteilung.
Im neuen Urteil wird allerdings nur das festgestellt, was im Grundsatz schon immer galt. Fordert der Arbeitnehmer ein gutes (Schulnote 2) oder sehr gutes Arbeitszeugnis (1), dann muss er oder sie dies beweisen. Stellt der Arbeitgeber eine “4” oder gar “5” aus, dann muß er dies in einer arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung belegen können. Ansonsten hat er das bescheinigt, was er vom Arbeitnehmer arbeitsrechtlich auch nur verlangen konnte: eine durchschnittliche Leistung.
Zum Arbeitszeugnis, von seiner Struktur über Formulierungen zur Bewertung bis hin zu den angeblichen Geheimcodes, finden Sie auf meinen Internetseiten weitere Hinweise.